Bautzen II: „Stasi-Knast“

Die Haftanstalt Bautzen II war die meist gefürchtete Haftanstalt der DDR

Gerichtsgefängnis
1906–1933

Zwischen Lessing- und heutiger Weigangstraße sowie Mättig- und Taucherstraße entsteht nach den Plänen des Königlichen Landbauamtes ein neues Justizgebäude, das Amts- und Landgericht unter einem Dach vereint. In dieses U-förmige Hauptgebäude fügt sich ein fünfgeschossiges T-förmig angelegtes Untersuchungsgefängnis ein und schließt damit den karreeförmigen Komplex. Die Architektur lehnt sich bewusst an die Gestaltung der Ortenburg an.

Das Gefängnis verfügte über 203 Haftplätze, in fünft Etagen gibt es 145 Einzel- und 23 Dreimannzellen, ein bestimmter Bereich ist Frauen vorbehalten. Das Gefängnis ist bis 1945 außer mit Untersuchungshäftlingen stets auch mit bereits verurteilten Straffgefangenen belegt. Das Bautzener Gerichtsgefängnis war modern ausgestattet, aber zu groß. Selten wurden alle Haftplätze gebraucht.

Gefängnis für Justiz- und Schutzhäftlinge
1933–1945

Das Gerichtsgefängnis war seit 1924 Teil der Landesstrafanstalt Bautzen und diente als Abteilung für die Untersuchungshaft. Oberflächlich änderte sich daran durch die NS-Diktatur nichts. Tatsächlich aber wurden in Bautzen II auch so genannte Schutzhäftlinge von der SA verhört. Es kam dabei zu Misshandlungen. Anschließend wurden die Schutzhäftlinge in das Konzentrationslager Hohnstein abgeschoben. Die Justiz unterstützte die außergerichtliche Verfolgung Andersdenkender.

Unter den Inhaftierten war z.B. der 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtete tschechische Publizist Julius Fučík.

Bild: Arrestzelle, Männertrakt Bautzen II

Sowjetisches Untersuchungs­gefängnis
1945–1949

Gefängnis und das Justizgebäude sind von der sowjetischen Besatzungsmacht beschlagnahmt. Im Untersuchungsgefängnis sitzen sowohl Verantwortliche des Nationalsozialismus als auch politisch Andersdenkende ein. Die Häftlinge werden ohne rechtsstaatliche Prüfung vor ein sowjetisches Militärtribunal gestellt und fast ausnahmslos zu Haftstrafen zwischen 15 und 25 Jahren verurteilt. Die meisten waren völlig unschuldig, aber es gab auch einige NS-Verbrecher darunter. Nach dem Kriegsende nutzte die sowjetische Geheimpolizei das leer stehende Gerichtsgefängnis für Verhöre. Die Einzelzellen waren überfüllt, die hygienischen Bedingungen miserabel. Wasser und Nahrung reichten kaum für die zahlreichen Verhafteten. Geständnisse zu den häufig konstruierten Anklagen erpresste das NKWD notfalls mit Folter. Im benachbarten Gerichtsgebäude tagte ein sowjetisches Militärtribunal. Die meisten Urteile wurden aus politischen Gründen gesprochen. Auf diese Weise unterstützte die sowjetische Besatzungsmacht den Aufbau einer kommunistischen Diktatur.

Im September 1949 wird das Gefängnis von der sowjetischen Besatzungsmacht an die Behörden der DDR übergeben.

Justizvollzugsanstalt
1949–1956

Bis Ende 1950 untersteht der Strafvollzug in Bautzen II dem Justizministerium. Mit der Umstrukturierung des Strafvollzugssystem in der DDR erfolgt ab dem 1. Januar 1951 die Übernahme durch die Deutsche Volkspolizei bzw. das Ministerium des Innern. Bautzen II ist Außenstelle von Bautzen I und wird von diesem mitverwaltet.

Unter den Inhaltierten befinden sich viele politische Häftlinge, die wegen oppositioneller Aktivitäten gegen das SED-Regime von DDR-Gerichten verurteilt worden sind.

Sonderhaftanstalt der Staatssicherheit
1956–1989

Die Anstalt wird selbstständige Strafvollzugseinrichtung BAUTZEN II. Offiziell untersteht sie wie alle Strafvollzugseinrichtungen der DDR dem Ministerium des Innern, jedoch bestimmt in Bautzen II ausschließlich das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) die Belegung und die Vollzugsbedingungen. Damit beginnt die besondere Geschichte des „Stasi-Knastes“ in Bautzen.

Bautzen II wurde zu einem Hochsicherheitstrakt mit 200 Haftplätzen für Sondergefangene ausgebaut. Inhaftiert sind seitdem Regimekritiker (z.B. Walter Janka, Gustav Just, Erich Loest, Heinz Brandt oder Rudolf Bahro), Fluchthelfer, wegen Spionage oder Republikflucht Verurteilte, aber auch aufgrund politischer und krimineller Vergehen verurteilte Offiziere und Parteifunktionäre sowie einzelne Nazikriegsverbrecher. Die ersten 90 Gefangenen werden im August 1956 aus Brandenburg-Görden nach Bautzen II gebracht.

Einige Gefangene werden jahrelang in strenger Einzelhaft oder Isolationshaft gehalten. Besonders gefürchtet ist der Arrest, der in speziellen Zellen unter menschenunwürdigen Bedingungen verbüßt werden muss. Die Gefangenen nennen sie „Tigerkäfige“. Durch ein Quergitter tagsüber auf 3 m² begrenzt, können die Häftlinge hier 16 Stunden lang nur stehen oder hocken.

Vor allem bis Anfang der 60er Jahre ist Arbeit eine Auszeichnung. Ab 1963 sind auch hier die Häftlinge stärker in den Produktionsprozess von Betrieben eingebunden, dazu werden im Kellergeschoss Arbeitsräume neu gebaut. Ab August 1965 werden die Häftlinge erstmals auch mit Namen angesprochen und dürfen ihn auch gegenüber anderen Gefangenen nennen. Bis dahin war lediglich der Gebrauch der Häftlingsnummer zulässig. Obwohl mitten in der Stadt gelegen, dringt aus diesem „Haus des Schweigens“ wenig nach außen.

Im Herbst 1989 führen Montagsdemonstrationen der Bautzener auch vor den Komplex von Bautzen II. Vor das Tor und an die Gefängnismauer werden Kerzen gestellt, der Ruf der Demonstranten, „Stasi raus“, ist bis in den Zellen zu hören. Die Gefangenen treten in den Hungerstreik. Auch hier beteiligen sich Bautzener Frauen und Männer aus der Bürgerbewegung an den Bemühungen zur Öffnung der Anstalt und bilden die Gruppe „Bautzen II“. Sie arbeiten mit der Interessenvertretung der Gefangenen, mit der Leitung und den Bediensteten zusammen und konstituieren sich zu einem Anstaltsbeirat. Im Dezember 1989 wurden die letzten ausschließlich aus politischen Gründen verurteilten Häftlinge entlassen.

Bild: Demonstranten vor der Stasi-Sonderhaftanstalt Bautzen II am 4. Dezember 1989

Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bautzen
1990–1992

Im Oktober 1990 wird die Einrichtung dem Justizministerium des Freistaates Sachsen unterstellt und Teil der JVA Bautzen.

Die letzten, wegen krimineller Delikte und Kriegsverbrechen verurteilte Häftlinge werden im Januar 1992 nach Bautzen I überführt.

Die Anstalt BAUTZEN II wird geschlossen und zur Gedenkstätte umgewandelt.